TV _ Die Television und das Transvirtual
Basis des Projektes stellen die pandemiebedingten, außerordentlichen Umstände dar. Auflagen des Social Distancing fordern breitgreifend neue Strukturen. Vor allem der Kunst- und Kultursektor sah und sieht sich vorerst mit gefühlten Unmöglichkeiten konfrontiert. Zwar hat die Digitalisierung bereits vor der Pandemie auch in jenen Sektor Einzug gehalten, einige Veränderungen evoziert und neue Potenziale aufgezeigt, jedoch resultierte durch die “neue Normalität” Dringlich- und Notwendigkeit bestehende Schemata der Kunst- und Kulturarbeit im digitalen Möglichkeitsraum zu denken. Startpunkt für TV_die Television und das Transvirtual stellt die Coronakrise dar und intendiert ausgehende vom Ritual als Antwort die Auswirkungen der Pandemie auf die kreative Zusammenarbeit im kollaborativen Prozess zu beobachten. Während der individualen Recherchephase und des inhaltlichen Austauschs mit internationalen Kunstschaffenden wurde nicht nur die Notwendigkeit digitaler Medien und Technologien, sondern ihr Einfluss auf die Gestaltung immer präsenter. So öffnete allerdings im Laufe der Konzeption und praktischen Versuchsphase das gedankliche Spektrum der Partizipienten. Wurden digitale Medien, Technologien, Programme und ihre Interfaces anfänglich als Werkzeuge begriffen, kristallisierte sich der Möglichkeitsgedanke jene auf gestaltender Ebene gleichzustellen, sie als Dialogpartner zu begreifen und in Austausch mit ihnen zu arbeiten.
Das Ritual per Definition basiert auf festgelegten Abläufen, die Teilnehmenden interagieren miteinander mit sich und//Objekten. Verbindend ist der geteilte Glaube an eine Wirkung und//oder die Geschichte, die Idee, die dem Ritual zu Grunde liegt. TV_die Television und das Transvirtual stellt die Frage wie sich eine gemeinsame Idee in einer globalisierten, digitalen Realität konstituieren kann. Welche Gemeinschaften werden jene schaffen, wer wird Teil jener sein? Welche Ethik entsteht durch eine potenzielle Gleichstellung der Technologien? Die geteilte Idee ist somit eine zukünftige, eine spekulative im Entstehungsprozess.
Anhand der generellen Charakteristika des Rituals der Dialog mit gängigen digitalen Medien gesucht. Obwohl Programme menschlich generiert, gefüttert und durch KI stets lernen, liegt der Technologie als solcher eine gänzlich andere Logik zu Grunde. Die technologische Interpretation eröffnet dem menschlichen Gedankenraum neue Spekulationspotenziale. Mit verschiedenen Technologien und Programmen wird im Dialog, einem mehrschrittigen Prozess die Initialthematik des Rituals eingeführt. Der Initiator beginnt den Dialog, der erste Rezipient Programm XY interpretiert und reagiert. Basierend auf dieser Antwort wird auch auf menschlicher Seite interpretiert und reagiert. Im Wechsel durchläuft “das Ritual” einen Gestaltungsprozess stets auf interpretativer Entitiätsebene (Mensch, Technologie//Programm), dessen Inhalt im Zwischenmedium, dem Bildschirm visualisiert wird und wiederholt die Basis der nächsten Auslegung stellt. Konkret wird das Wort Ritual in eine der gängigsten Kommunkationsapplikationen eingespeist, welches die Buchstabenfolge erkennt und deren Fortgang spekuliert und anhand dessen in Emoticons überführt. Die bildlichen Darstellungen, bieten dem Ritual neue Richtungsweisen. Vom Wort zum zweidimensionalen Bild, wird es im nächsten Schritt in ein virtuell raumgreifendes Objekt überführt. Diese Prozessreihe zeigt exemplarisch die infiniten Möglichkeiten des medial gestalterischen Dialogs auf. Jener wird auf einer Website zusammengeführt, stellt bildlich verpackt und konkret die Frage nach potentiellen Rollen von Technologien. Die Website ist wie das Ritual als solches nur Eingeweihten zugänglich so zeigt sich das Outcome im reellen Raum gänzlich als QR-code, welcher sich nur mit entsprechendem Gerät um seine Funktion Wissenden als Portal öffnet. Platziert im öffentlichen Raum wird eine dauerhafte Zugänglichkeit unter allen Auflagen gesichert. Die QR-Codes sind unter anderem in Karlsruhe, Hamburg, Berlin, London, Wien und Barcelona angebracht und greifen damit die Verortung zukünftiger Gemeinschaften im digitalen Raum auf.
Zwar begann ich bereits früh in meiner Arbeit digitale Technologien anzuwenden, jedoch begriff ich mich im Gestaltungsprozess stets als singulärer Autor. Wie mit Werkzeugen wurde ein Umgang mit ihnen erlernt und gesteuert eingesetzt. Erst innerhalb meiner Masterarbeit, in der ich mich mit sozialen Medien und ihrem Einfluss auf Ästhetik, Ethik, sozialen Umgang und damit befasste welche Kultur aus ihnen entstehet, entwickelte sich die Gestaltung simultan im Austausch mit digitalen Technologien und Programmen. Eine in meinem Schaffen neue Ästhetik entstand. Den Gedanken zu greifen, dass jene Technologien sich somit nicht nur als Werkzeuge nutzen lassen, nicht nur zur Generierung von Output angewendet, sondern auch Input liefern können, verhalf mir die Arbeit an TV_die Television und das Transvirtual. Von diesem Standpunkt aus eröffnen sich für mein zukünftiges Schaffen neue Ansätze und Definitionsfragen der künstlerischen Autorenschaft als solche und zukünftiger Potenziale der Zusammenarbeit.
Ermöglicht durch ein Projektstipendium des Ministeriums für Kunst, Forschung und Wissenschaft Baden-Württemberg